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AutorenbildMatthias Wirth

Klares "Nein" zu einem Nationalpark Reichswald

Aktualisiert: 24. Jan.

Die CDU-Kreistagsfraktion wird sich in den anstehenden Beratungen im Naturschutzbeirat, im Ausschuss für Klima, Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz und letzlich auch im Kreistag gegen die Bewerbung des Kreises Kleve um die Einrichtung eines Nationalparks Reichswald positionieren. Über das Warum und die Motive schreibe ich im Folgenden.


Außerhalb der unmittelbar betroffenen Kommunen Bedburg-Hau, Goch, Kleve und Kranenburg sind die Pläne der Landesregierung Nordrhein-Westfalens zur Ausweisung eines zweiten Nationalparks kein wirklicher Aufreger, hielten sich die Auswirkungen anders als in den betroffenen Städten und Gemeinden doch in Grenzen, wenn es tatsächlich dazu käme. Dennoch ist eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema für alle Mitglieder des Kreistages geboten, ist dieser doch das die Entscheidung über eine Bewerbung fällende Gremium. Die CDU-Kreistagsfraktion hat sich die Entscheidungsfindung nicht leicht gemacht, hat verschiedene Expertinnen und Experten angehört und ist letztlich nach einer intensiven Klausurtagung zu dem (einstimmigen) Ergebnis gekommen, gegen eine Bewerbung des Kreises Kleve um die Einrichtung eines Nationalparks zu stimmen.


Wald, Bäume
NSG Geldenberg im Reichswald (Bild: wikimedia)

Anmerkungen vorab

Ich möchte an dieser Stelle nicht die rechtlichen und administrativen Hintergründe des Verfahrens darstellen und auch nicht den Eindruck erwecken, lediglich "neutral" informieren zu wollen - daran scheitert im Kreis Kleve schon die lokale Presse - sondern mich auf die Erläuterung der Hintergründe für eine ablehnende Haltung durch die CDU-Kreistagsfraktion fokussieren, was natürlich immer eine politische Positionierung und daher die Darstellung meiner Perspektive auf das Thema ist.

Um sich einen ersten Eindruck über das Thema zu verschaffen und auch Pro-Argumente wahrzunehmen, lohnt sicher der Besuch folgender Internetauftritte (abgerufen am 23.01.2024):

  • Darstellung des Verfahrens und Online-Dialog durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen - nationalpark.nrw.de

  • Darstellung aus Sicht der Nationalparkbefürworter, getragen von der Initiative Internationalpark Reichswald und flankiert vom NABU - nationalpark-reichswald.de

  • Erkenntnisbringend ist auch ein Besuch der Infothek des bereits in NRW bestehenden Nationalpark Eifel - www.nationalpark-eifel.de/de/infothek/


Status quo

Der Reichswald ist mit rund 5.100 ha die größte zusammenhängende Waldfläche Nordwestdeutschlands. Dieser Wald setzt sich sowohl aus Mischwald als auch aus mehr oder weniger stark geschädigten Nadelwaldbeständen zusammen (Stichworte: Borkenkäfer und Windwurf), die sich bereits heute in einem sukzessiven Umbauprozess hin zu einem robusteren und mit Blick auf die Biodiversität wertvolleren Mischwald befinden. Nahezu die gesamte, im Eigentum des Landes Nordrhein-Westfallen befindliche und forstwirtschaftlich genutzte Fläche hat den Status eines Landschaftsschutzgebietes. Kleinere Flächenzusammenhänge (knapp 600 ha) werden im höheren Schutzstatus eines Naturschutzgebietes geführt, so auch das NSG Geldenberg, das zwei von der forstwirtschaftlichen Nutzung ausgenommenen und besonders geschützte Naturwaldzellen (ca. 50 ha) enthält. Neben der forstwirtschaftlichen Nutzung spielt der Reichswald eine entscheidende Rolle für die Trinkwassergewinnung durch die Stadtwerke Kleve und Goch und ist beliebter Naherholungsraum für Spaziergänger, Wanderer, Radfahrer und Reiter aus dem Kreis Kleve und den direkt angrenzenden Niederlanden.


Park der Ausnahmen

Um in medias res zu gehen: der Reichswald wäre in jedem Fall ein Park der Ausnahmen, weil alle den Schutzstatus Nationalpark begründenden Standards und Richtlinien ein beträchtliches Maß an "interpretierender Auslegung" bedürften, um Anwendung finden zu können.

Der Reichswald ist zu klein

Auch wenn das einen Nationalpark normierende Bundesnaturschutzgesetz (§ 24 BNatSchG) keine Angaben zur Größe macht, unterschreitet der Reichswald die von der Weltnaturschutzunion (IUCN) angegebene Mindestgröße für einen Nationalpark von 10.000 ha deutlich.

Zerschnittenheit

Im Gegensatz zu seiner Unbestimmtheit in der Frage der Größe stellt § 24 BNatSchG in seiner Ziffer 1 explizit auf die weitgehende Unzerschnittenheit des Gebietes ab, was durch die hindurchführende Bundesstraße B 504 und auch die Grunewaldstraße nicht gegeben ist.

Geringer Anteil Naturschutzfläche

Die aktuell ausgewiesene Fläche an Naturschutzgebieten ist zu klein für die natürliche Entwicklung dieses Gebiets auf die anvisierten 75 Prozent.

Zäune

Aktuell sind ca. 3/4 des Waldes zum Schutz von Straßen und landwirtschaftlichen Flächen vor Wildtieren von Zäunen umschlossen. Im Rahmen einer zu formulierenden Nationalparkverordnung kann man natürlich deren Beseitigung zum Ziel erheben, die Auswirkungen z. B. durch stärkere Wildschäden in der angrenzenden Landwirtschaft sind jedoch erheblich. Andernfalls karikiert der Zaun den einem Nationalpark immanenten Gedanken der freien Bewegungsmöglichkeit für Wildtiere.


Naherholung vs. Nationalpark

Wie bei allen anderen politischen Entscheidungen sind auch bei der Frage nach einem Nationalpark Zielkonflikte abzuwägen, wobei beide Perspektiven natürlich ihre Berechtigung haben. Der Reichswald ist für die im Kreis Kleve wohnenden Menschen und auch in den angrenzenden Niederlanden ein wichtiger Naherholungsraum. Sinkt die für Erholungsaspekte verfügbare Fläche ab und nichts anderes geht mit einer am strikten Naturschutz orientierten Zonierung und Verkleinerung des Wegenetzes einher, führt das unausweichlich zu mehr Menschen auf weniger Fläche, was weder den Erholungssuchenden noch der Natur dienlich ist.


Forstwirtschaft vs. Nationalpark

Der Reichswald wird durch das Land Nordrhein-Westfalen forstwirtschaftlich genutzt. Um das auch zukünftig in der für die heimische Forstwirtschaft typischen Nachhaltigkeit betreiben zu können, erfolgt schon seit Jahren eine Entwicklung des Waldes zu einem Laubmischwald. Das kommt nicht nur einem (gesunden) Baumbestand zu Gute, sondern mittelbar ebenso der im Reichswald erfolgenden Trinkwassergewinnung, der Artenvielfalt und natürlich auch dem Landschaftsbild. Gleichzeitig durch Einzelstammentnahmen den Rohstoff Holz nutzen zu können, erscheint mir und uns der bessere Weg als perspektivisch die forstwirtschaftliche Nutzung nur noch als Nebeneffekt des alles bestimmenden Nationalparkgedankens zu erlauben.


Trinkwassergewinnung vs. Nationalpark

Für über 120.000 Menschen aus den Kommunen Goch, Kleve, Kranenburg, Bedburg-Hau, Weeze und Uedem wird seit über 140 Jahren das Trinkwasser ausschließlich im Reichswald gewonnen, indem über Brunnen Wasser gefördert wird, das durch Versickerung einen ca. 30-jährigen Weg von der Erdoberfläche in den unterirdischen Trinkwasserspeicher zurückgelegt hat. Diese Wasser ist von hoher Sauberkeit gekennzeichnet und muss nur minimal aufbereitet werden. Die Brunnen- und Aufbereitungsanlagen müssen auch zukünftig erneuert und ggf. ersetzt werden können. Außerdem besteht die Gefahr, dass die im Nationalpark höhere Totholzmenge perspektivisch zu einem höheren Nährstoffeintrag ins Grundwasser führt. Die Stadtwerke unterstützen im Sinne der Gewinnung hochwertigen Trinkwassers durch Laubbaumpflanzungen bereits heute den Umbau zu einem Mischwald, Hand in Hand gehend mit den Aspekten des Naturschutzes. Das alles durch mögliche Verschärfungen des Naturschutzrechtes in einem Nationalpark zu gefährden, steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem im aktuellem Schutzstatus bereits Möglichen und Erfolgendem.


Landwirtschaft vs. Nationalpark

Auch wenn durch die Nationalparkbefürworter gebetsmühlenartig wiederholt wird, dass die angrenzende Landwirtschaft nichts zu befürchten hätte, sind die Ängste der Landwirte berechtigt. In den letzten Jahrzehnten fanden mehrfach Gesetzesverschärfungen zu ihren Ungunsten statt wie auch Einschränkungen bei der Nutzung der ihnen gehörenden Böden. Die durch Minister Oliver Krischer angekündigte Möglichkeit des Bodenaufkaufs zu Gunsten des Nationalparks erhöht nicht nur die Befürchtungen der Bauern sondern auch die Konkurrenz um wertvolle landwirtschaftliche Flächen. Wenn die (Naturschutz-)Politik das ohnehin schon niedrige Vertrauen in sie dadurch noch weiter unterminiert, braucht sie sich über eine ablehnende Haltung der Landwirte und Flächeneigentümer nicht wundern. Diese Skepsis gegenüber einer unsteten und wenig verlässlichen Bundes- und Landespolitik teile ich, zumal Naturschutzrecht nur eine Entwicklungsrichtung kennt: Verschärfung.


Das Bestehende entwickeln

Zu diesen etwas ausführlicher besprochenen Punkten kommen auch Einwände von spezielleren Nutzergruppen, die natürlich ebenso beachtenswert sind, an dieser Stelle aber nicht ausgebreitet werden sollen. Genannt seien etwa die Jäger und Reiter.

Zweifelsohne ist der Reichswald ein wertvolles und schützenswertes Waldgebiet in unserem Kreis, das durch viele Bewohner und Gäste unserer Region geschätzt wird. Warum entwickeln wir das nicht auf Basis des Bestehenden und bereits Erreichten weiter und erhalten uns das harmonische Nebeneinander von Aspekten der Erholung, der forstwirtschaftlichen Nutzung, der Trinkwassergewinnung und all das ohne neue Bürokratie, Regelungen und Verbote?


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